«Le Fil Rouge» schreibt die architektonische und aussenräumliche Qualität der bestehenden Anlage auf eine neue Art und Weise fort. Das Projekt wird den Anforderungen an die Nachhaltigkeit in Bezug auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gerecht, indem es - trotz der grossen festgestellten Schadstoffbelastung durch Naphthalin – den Kreislauf der Baumaterialien miteinbezieht, ohne die Gesundheit von Nutzern und Umwelt zu gefährden. Die direkte Wiederverwendung von qualitativ Wertvollem ist Thema der neu konstituierten Schulanlage Mühlematt und ergreift die einmalige Chance, eine zukunftsweisende Schulanlage zu realisieren.
Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist im Lehrplan 21 als Leitidee fest verankert. Es ist damit besonders wichtig, dass der Schulhausbau ein Vorbild ist in allen Aspekten der Nachhaltigkeit.
→ Siehe «Leitidee Nachhaltige Entwicklung» im Lehrplan 21Wie die Natur selbst ist das Gebäude durch Kreisläufe strukturiert. Diese Kreisläufe sind durch den Klimawandel bedroht und insbesondere die Bauwirtschaft ist dabei aufgrund der Emissionen und den anfallenden Abfall stark in der Verantwortung. Insbesondere beim Bau einer Schule muss zwingend an die nachfolgenden Generationen gedacht werden. «Le Fil Rouge» kann emissions- und abfallarm erstellt werden, weil das Projekt so konzipiert ist, dass zum Beispiel die Weiternutzung von Singsaal und Turnhalle Gurnigel unter der Berücksichtigung der Anforderungen priorisiert wird. Dadurch kann die CO2 Bilanz bereits massiv verbessert werden.
Aufgrund der Schadstoffbelastung durch Naphthalin müssen die Schulgebäude neu erstellt werden. Trotzdem kann eine Vielzahl von Bauteilen, die nicht belastet sind, wiederverwendet werden (z.B. Metallgeländer, Holz-Metall-Fenster, Grantitplatten, Treppenstufen, Photovoltaik etc.). Zudem werden die neuen Schulgebäude so konstruiert, dass ein Grossteil der Bauteile bei einem allfälligen Rückbau in ca. 50 Jahren wiederverwendet werden kann. Durch den Einsatz von wiederverwendeten Bauteilen werden – dies zeigen entsprechende Daten aus Pilotprojekten in der Schweiz – bis zu 50% der CO2-Emissionen bei der Erstellung von Gebäuden eingespart.
Ähnliches kann für die Abfallmenge gelten. Falls es aufgrund der Anforderungen gewisser Bauteile nicht möglich ist, wiederverwendete Elemente zu verwenden, werden lokale, nachwachsende Baustoffe – sei es für die Holztragstruktur oder die Wände aus Lehm – verwendet. Diese Prinzipien können für die Nutzenden der Schulanalge als Inspiration dienen. Was in der Küche übrig bleibt, kommt in den von den Schülern und Schülerinnen verwalteten Kompost. Auf dem Kompost wächst im Sommer ein dicker Kürbis, den es nach Halloween als Suppe am Schulfest gibt. Was kaputt ist, wird repariert.
«Le Fil Rouge» strebt das Prinzip der Wiederverwendung von gegenwärtig zur Verfügung stehendem Material an. Dadurch werden jetzt Emissionen und Abfall eingespart. Es gilt dabei die bestehenden, rückzubauenden Gebäude und darüber hinausgehend der Kanton Bern als Kreislauf im Sinne einer riesigen Bauteilmine zu begreifen, auf die als lokale Rohstofflieferantin zurückgegriffen werden muss. Dazu werden die Bauteile für den geplanten Bauzeitpunkt gesucht. Prioritär werden Bauteile der Mühlemattschule verwendet. Darüber hinausgehende Elemente werden im Kanton Bern in den entsprechenden Abbruchobjekten gesucht.
Die Bauteiljagd stellt dabei sicher, dass zum Bauzeitpunkt jeder Etappe die geeignetsten Bauteile zu Verfügung stehen. Die Konstruktion von «Le Fil Rouge» basiert auf baulichen Elementen, die so gewählt sind, dass die Wahrscheinlichkeit maximiert ist, wiederverwendete Bauteile und Materialien einsetzen zu können. Falls für eine Anforderungen die Anwendung wiederverwendeter Bauteile nicht sinnvoll ist, wird entweder ein Recyclat oder ein möglichst CO2 armer Baustoff – wie die Holztragstruktur – verwendet.
In der zirkulären Bauweise gilt es zwei Prinzipien zu beachten: Zum einen muss die Wiederverwendung in der Zukunft ermöglicht werden. So sollen die Schulhäuser Mühlematt von den nachfolgenden Generationen wiederverwendet werden können. Die Gebäude wurden für die entscheidenden Bauteile nach dem Konzept des «Design for Disassembly» konstruiert, dessen Prinzipien nebenstehend aufgelistet sind. Nach der Erstellung der gesamten Schulanlage wird ein «Gebäudepass» erstellt, in dem die Bauteile und entsprechenden Werte ersichtlich sind und der es zukünftigen Planenden ermöglicht, die Gebäude oder Teile davon ohne Aufwand in die Bauteilmine Bern zurück zugeben.
Andreas Oefner ist Experte für Kreislaufwirtschaft und Geschäftsführer der Zirkular GmbH, welche am Siegerprojekt zur Erneuerung der Schulanlage Mühlematt in Belp beteiligt ist.
Barbara Wiskemann ist diplomierte Architektin ETH BSA SIA. Sie ist Mitinhaberin des Architekturbüros Neon Deiss, dem Gewinnerteam des Projektwettbewerbs für die neue Schulanlage Mühlematt.
Michèle Mambourg ist diplomierte Architektin ETH BSA SIA. Sie ist Mitinhaberin des Architekturbüros Neon Deiss, dem Gewinnerteam des Projektwettbewerbs für die neue Schulanlage Mühlematt.
Nicole Deiss ist diplomierte Architektin ETH BSA SIA. Sie ist Mitinhaberin des Architekturbüros Neon Deiss, dem Gewinnerteam des Projektwettbewerbs für die neue Schulanlage Mühlematt.