Interview über Finanzen im Projekt Mühlematt mit Johann Walther, Gemeinderat und Präsident der Finanzkomission.
Im Projekt der Schulanlage Mühlematt sind die Finanzen ein zentrales und viel diskutiertes Thema. Wir legen deshalb einen speziellen Fokus darauf.
Das ist eine gute Frage. Die Erneuerung der Schulanlage Mühlematt ist dringend, weil wir im Jahr 2018 den Raumluft-Schadstoff Naphthalin festgestellt und nachgewiesen haben. Der Gemeinderat musste dann Sofortmassnahmen ergreifen und für mehrere CHF 100'000 Raumlüftungsanlagen beschaffen und installieren lassen.
Der Gemeinderat hat anschliessend unter Hochdruck einen Sanierungsplan ausgearbeitet. Den Planungskredit für diese Sanierung hat der Gemeinderat am 3. September 2020 an der Gemeindeversammlung zur Abstimmung vorgelegt. Dieser wurde abgelehnt. Als Gegenvorschlag hat ein Komitee den Neubau der Schulanlage Mühlematt vorgeschlagen, welcher dann auch angenommen wurde. Somit wurde der Gemeinderat damit beauftragt, einen Neubau zu planen.
Dem Auftrag entsprechend hat der Gemeinderat eine Ausschreibung für den Architekturwettbewerb gemacht und daraus ist das Siegerprojekt «Le Fil Rouge» hervorgegangen. Über dieses wollen wir in diesem Herbst an der Urne abstimmen lassen. Wir legen nun den Stimmbürger*innen einen Planungs- und Projektierungskredit über dieses Projekt vor, damit wir dieses weiter planen können.
Für eine detaillierte und konkretisierte Planung dieser grossen Schulanlage benötigen wir diesen Kredit von 5,3 Millionen. Wenn die Stimmbürger*innen diesem Kredit zustimmen, dann beginnt zuerst das Vorprojekt. Das heisst, es wird ein Team von Architektinnen und Spezialisten wie Bauingenieure, Landschaftsarchitektinnen, Heizungs- und Lüftungszeichnern, Sanitärplanern, etc. mit der Planung beauftragt. Es wird auch eine Spezialkommission der Gemeinde Belp gebildet, welche das Projekt begleitet und weiterentwickelt. Die Schule nimmt in der Projektorganisation eine zentrale Rolle ein. Die unterschiedlichen Bedürfnisse des Schulbetriebs sollen bestmöglich in das Projekt integriert werden. Alle aktuellen Parameter, wie beispielsweise die Schulraumplanung und das überarbeitete Raumprogramm, fliessen in das Vorprojekt ein. Das dauert rund 18 Monate.
In einem zweiten Schritt wird das Bauprojekt entwickelt. Dieses bildet die Grundlage für den Baukredit, mit welchem wir ungefähr im Herbst 2025 an die Urne gehen werden. Es ist also eine weite Zeitspanne, in der wir dieses Geld benötigen werden. Der Projektierungskredit leitet sich aus der Kostengrobschätzung ab. Die Honorare der Planer setzen sich aus den aktuellen Vorgaben der SIA-Normen zusammen, die aufgrund des Bauvolumens gerechnet werden.
Um eine verantwortungsvolle finanzielle Führung sicherstellen zu können, wird nach einer detaillierten Bedarfsabklärung nur das gebaut, was wirklich nötig ist und nicht das, was schön ist. So wollen wir die Kosten optimieren.
Inzwischen haben Toffen und Kaufdorf entschieden, in Toffen eine eigene Oberstufe zu führen. Damit werden rund 100 Schüler*innen weniger nach Belp kommen. Dies hat einen Einfluss auf das Raumprogramm, so dass man das Projekt in der Planungsphase entsprechend anpassen wird.
Aufgrund der sehr hohen zu erwartenden Investitionskosten hat der Gemeinderat diverse Optimierungsvorschläge geprüft. Wir konnten auch aus den Dorfgesprächen diverse Vorschläge entgegennehmen und werden versuchen, diese in die Projektierung einzubringen. Erst durch die verschiedenen Planungsschritte können wir die Ausprägung und Etappierung sowie die Kosten und den Umfang genauer festlegen. Wir brauchen also die Planung und Projektierung, damit wir sagen können, wie hoch die Kosten sind und in welchen Etappen gebaut werden soll.
Der Plan B ist schwierig. Wenn die Stimmbürger*innen den Projektierungskredit für die Erneuerung der Anlage Mühlematt ablehnen, dann bedeutet das vorerst einmal einen Projektstopp. Das würde heissen, wir sind am selben Punkt wie vor über zwei Jahren. Dann müssten wir analysieren, ob es am Projekt selbst lag oder an den Kosten. Es müsste abgeschätzt werden, ob doch wieder eine Sanierung ins Auge gefasst werden soll. Eine Sanierung würde auch einen Planungs- und Projektierungskredit benötigen, über den nochmals abgestimmt würde. Wir würden also wieder auf Feld 1 beginnen und der Betrieb der Schule müssten auf unbestimmte Zeit mit den Raumluftreinigungsgeräten erfolgen.
Der Gemeinderat hat im Auftrag der Stimmberechtigten einen Architekturwettbewerb nach SIA-Normen ausgeschrieben. Eine Jury hat die Projekte ausgewertet. Die fünf besten Projekte wurden von anerkannten Kostenplanern auf Herz- und Nieren geprüft, um eine realistische Kostenschätzung zu erhalten.
Das Siegerprojekt «Le Fil Rouge» war einerseits das kostengünstigste, andererseits stach es durch die Flexibilität der Etappierung und Raumgestaltung hervor. Das Siegerteam der Architektinnen Neon Deiss hat einen starken Schwerpunkt auf die Wiederverwendbarkeit der Materialien gesetzt und so dem Nachhaltigkeitsaspekt einen Ausdruck gegeben hat. Die Rahmenbedingungen waren durch das Raumprogramm vorgegeben. Wir sprechen von 36 Schulzimmern, Gruppenräumen, 20 Fachunterrichtszimmer für technisches Zeichnen, textiles und bildnerisches Gestalten, Musik, etc. Weiter gefordert waren Mehrzweckräume, Aufenthaltszimmer, Räume für die Tagesschule und eine Dreifach-Sporthalle. Dazu gehören auch entsprechende Aussenflächen wie zum Beispiel eine Weitsprunganlage und Beachvolleyballfelder. Eine so grosse Anlage generiert entsprechende Kosten.
Die Erneuerung der Schulanlage Mühlematt stellt uns vor grosse finanzielle Herausforderungen. Da die Ortsplanungsrevision abgelehnt wurde, fehlen der Gemeinde 40 Millionen Mehrwertabgaben, also Einnahmen. Die erwartete Neuverschuldung und die Kosten, welche die Erfolgsrechnung belasten werden, werden in der Botschaft zur Urnenabstimmung so genau wie möglich erläutert, damit die Bürger*innen sehen, was auf sie zukommen wird.
Eines ist klar: die Gemeinde Belp kann weder eine Erneuerung noch eine Sanierung der Mühlematt mit der aktuellen Steueranlage finanzieren. Der Gemeinderat beabsichtigt deshalb, während der Projektierungsphase eine Steuererhöhung zu beantragen. Die Akzeptanz der Steuererhöhung wird aufzeigen, ob das Projekt finanzierbar ist oder nicht.
Die Projektfinanzierung soll nicht zulasten der kommenden Generationen gehen. Ohne Steuererhöhung sind die Ausgaben weder trag- noch finanzierbar. Wenn wir die Einnahmen nicht generieren können, dann können wir es nicht zahlen. Können wir die Einnahmen aber generieren, dann ist es finanzierbar.
Der Gemeinderat hat eine zusätzliche Neuverschuldung von 40 - 45 Mio. als Maximum festgelegt. Das würde eine Nettoverschuldung von CHF 2000 pro Bürger*in betragen. Das ist mit der Steuererhöhung tragbar. Mehr aber nicht.
Ausserdem müssten die werterhaltenden und wertvermehrenden Investitionen in die übrigen Gemeindeanlagen eingeschränkt werden. Belp hatte in den vergangenen Jahren eine Selbstfinanzierung von CHF 2 Mio. bis 2,5 Mio. Das bedeutet, dass dieser Betrag für Investitionen zur Verfügung steht, ohne sich neu verschulden zu müssen. Alles, was über diesem Betrag ist, gibt zusätzliche Schulden.
Die Nettoinvestitionen für den Bau des Schulhauses müssen innerhalb von 25 Jahren abgeschrieben werden. Das wird durch das HRM 2 so vorgegeben. Wenn wir mit einem jährlichen Zinssatz von 3% rechnen, dann gibt das eine jährliche Kapitalisierung von CHF 4.35 Millionen. Dann gehen wir davon aus, dass die Anlage für den Betrieb rund CHF 500’000 höhere Betriebskosten verursachen wird. Diese Zahlen sind aber nicht erhärtet. Hier müsste geschaut werden, was der Betrieb der alten Anlage gekostet hat und was die neue definitiv kosten wird. Dann sehen wir, wie hoch die Differenz ist.
Wir rechnen also damit, dass die totalen Kosten, die jährlich getragen werden müssen, rund CHF 4.85 Mio. betragen werden. Ein Steueranlagezehntel wird in den nächsten Jahren durchschnittlich rund CHF 2 Mio. betragen. Deshalb braucht es eine Steuererhöhung von 2.5 Steuerzehntel. Für einen Durchschnittshaushalt von Belp wären dies rund CHF 500 bis 1000 Franken pro Jahr.
Das ist tatsächlich eine Frage, die den Gemeinderat beschäftigt. Die Steueranlage muss zwingend jedes Jahr mit dem Budget entschieden werden und dieses wird jeweils von der Gemeindeversammlung beschlossen. Über den Projektierungskredit wird an der Urne abgestimmt. Es sind zwar die gleichen Personen aber die Art der Beteiligung ist anders. Deshalb ist der Gemeinderat darauf bedacht, dass wir den Stimmberechtigten bereits mit dem Projektierungskredit detailliert aufzeigen, was die finanziellen Folgen sein werden, wenn wir dieses Projekt realisieren.
Das heisst, dass Projektbefürworter dem Projektierungskredit und später dem Baukredit zustimmen sollten im Wissen, dass es eine Steuererhöhung zur Folge haben wird. Also unter dem Motto: «Wer bestellt, soll auch zahlen.»
Die Erhöhung der Steueranlage kann sicher auch gestaffelt erfolgen. Ohne Annahme einer Steuererhöhung würde der Baukredit in der gesamten Höhe jedoch nicht zur Abstimmung kommen. Dann würde das Projekt nicht oder nur teilweise umgesetzt werden können. Wir müssen von Gesetzes wegen bei der Abstimmung über den Baukredit die Folgekosten, Finanzierung und die Auswirkungen auf das Finanzhaushaltsgleichgewicht aufzeigen. Wenn wir diese Punkte nicht sicherstellen können, dürfte der Gemeinderat das Projekt so nicht zur Abstimmung vorlegen.
Der Gemeinderat sieht im Siegerprojekt selbstverständlich Vorteile, sonst würden wir es nicht bringen.
Ein neues Schulzentrum hat Ausstrahlung. Die neue Mühlematt bietet den Schülerinnen und Schülern eine bedarfsgerechte Lernumgebung und wird zu einem attraktiven Arbeitsplatz für Lehrpersonen. Mit der Genehmigung des Kredits würde die Gemeinde Belp nach 70 Jahren ein neues Kapitel aufschlagen und eine Schulanlage bauen, die der aktuellen Zeit entspricht und nachhaltig gebaut werden kann.
Als nächsten Punkt haben wir den zeitlichen Aspekt: Mit der Ablehnung des Projektes würden die Bürger*innen von Belp nichts gewinnen, aber viel Zeit verlieren. Eine Sanierung der heutigen Anlage im Rahmen von CHF 55 Millionen, wie es der Gemeinderat 2020 vorgeschlagen hatte, wäre zwar besser finanzierbar, jedoch im Hinblick auf Lebensdauer und Nachhaltigkeit keine dauerhafte Lösung. Aus pädagogischer Sicht wäre die Sanierung ein Kompromiss.
Die Erneuerung der Schulanlage ist nötig und uns liegt mit «Le Fil Rouge» ein überzeugender, umsetzbarer, wirtschaftlicher und nachhaltiger Vorschlag vor. Eine attraktive Schulanlage trägt vor allem auch zur Attraktivität der Gemeinde Belp bei.
Johann Walther ist Gemeinderat in Belp und Vorsitzender der Finanzkomission.