🎙️ Interview mit Andreas Oefner, Kreislaufwirtschaft

Podcast-Interview mit Andreas Oefner, Experte für Kreislaufwirtschaft und Geschäftsführer der Zirkular GmbH, welche am Siegerprojekt zur Erneuerung der Schulanlage Mühlematt in Belp beteiligt ist.

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Wir sind zu Besuch bei der Firma Zirkular in Basel. Heute spreche ich mit Andreas Oefner, Geschäftsführer bei Zirkular. Herzlich Willkommen Andreas.

Danke.

Zirkulärwirtschaft ist vielleicht etwas, das nicht alle kennen. Kannst du einmal erzählen was das ist?

Der Ausdruck Kreislaufwirtschaft ist vielleicht etwas anschaulicher. Heute ist geht es in unserer Wirtschaft ganz allgemein so, dass man etwas kauft, dann für eine kurzer Zeit konsumiert, wieder wegwirft und etwas neues kauft. Ganz ähnlich funktioniert das im Moment in der Bauwirtschaft. Das heisst, man kauft ein Gebäude, lässt das 10, 20, 30 Jahre stehen und tauscht vielleicht im besten Fall gewisse Bauteile aus. Dann wird das Gebäude abgerissen und das Nächste erstellt. Unser Ziel ist es, daraus einen Kreislauf zu machen.

Wir wollen also nicht Gebäude erstellen, irgendwann abreissen und alles auf die Mulde schmeissen. Wir wollen Gebäude mit Teilen erstellen, die heute schon da sind. Denn wir haben heute ganz viele Baumaterialien, die auf der Deponie landen, die man problemlos weiter nutzen kann, wie zum Beispiel Stahlträger, hochwertige Fenster, Türen, Fassadenbleche und so weiter. Wir wollen also diese Teile in Gebäuden nutzen, die wir heute erstellen und bei Neubauten so planen, dass wenn man das Gebäude wieder Rückbauen müsste, die Teile wieder demontierbar sind und bei anderen Neubauten eingesetzt werden können. Das heisst, es gibt nicht mehr diesen linearen Weg, bei dem man immer wieder Dinge wegschmeisst, sondern man hat einen Kreis mit einem geschlossen System, welcher für alle Vorteile hat.

Wie bist du selbst darauf gekommen, mit Kreislaufwirtschaft zu arbeiten?

Das weiss ich eigentlich gar nicht. Es sind immer wieder diese interessanten Fragen, wie man denn eigentlich zu den Dingen kam, die einem beschäftigten im Leben. Ich habe lange beim Baubüro in situ gearbeitet. Sicher auch aus dem Grund, weil mich die Themen Nachhaltigkeit und Ökologie wahnsinning beschäftigt haben. Wie geht man mit dem Planeten um, auf dem wir eine kurze Zeit leben und wie lebt man möglichst gut auf diesem Planeten. Diese Themen durfte ich bereits bei in situ begleiten und umsetzen. Dann gab es zunehmend den Fokus auf die Kreislaufwirtschaft, also auf eine dieser Massnahmen zum wirtschaftlichen planen und bauen. Es ist sehr befriedigend nun zu sehen, wie das als Thema vorwärts geht und man da gleichzeitig auch begleiten und planen darf. Ich finde das einen sehr tollen Beruf.

Das Büro von Zirkular GmbH befindet sich im Gundeldinger Feld in Basel.
Das Büro von Zirkular GmbH befindet sich im Gundeldinger Feld in Basel.
Beim Schulhausbau geht es ganz offensichtlich um die Zukunft. Man baut etwas für unsere Nachkommen. Die Architektin Nicole Deiss hat gesagt, dass sie vor dem bestehenden Schulhaus stand und dachte, da ist ja noch ganz viel gut. Darauf hat sie dich angerufen. Wie ist es nach diesem Anruf weitergegangen?

Wir haben bereits vorher in einem Projekt zusammengearbeitet, bei dem wir einen kleinen Input gegeben haben. Ich fand toll, dass sie sich schon Gedanken darüber gemacht hatten und habe gemerkt, dass schon viele gute Ideen da sind, wie sie mit dem Bestand umgehen wollen. Also so, dass sie gesagt haben, wir machen nicht alles platt. Gedanken wie, welche Gebäude kann man als gesamtes weiter nutzen und was oder welche Bauteile von den Gebäuden die man zurück baut, können wiederverwendet werden.

Ich habe in ihrem Interview gesehen, dass sie etwa 1'200 Stunden für den Wettbewerb aufgewendet haben und unser Beitrag ist im Verhältnis verschwindend klein. Sie hatten schon wahsinnig gute Ideen und haben gesehen, was man da weiter oder wieder nutzen kann.

Wir haben dann eine Analyse gemacht, ob die Ideen realistisch sind und welche Bauteile wir aus unserer Erfahrung wiederverwenden würden. Wir haben auch geschaut, wie man andere Bauteile beschaffen könnte. Denn es wird ja rein von den Volumen her nicht möglich sein, alles was man zurück baut wieder zu verwenden. Das unter anderem auch weil Bauteile vielleicht mit Schadstoffen belastet sind oder ästhetischen und aktuellen Normen nicht mehr entsprechen. Wir haben ein Konzept entwickelt und vorgeschlagen, wie man den Kanton Bern als Bauteilmine nutzen könnte. Das war unser kleine Beitrag im Projekt.

Gibt es etwas, das aus eurer Sicht speziell ist am Projekt Le Fil Rouge in Belp?

Ich glaube, es ist für uns als Zirkular thematisch ein sehr interessantes Projekt mit diesem Schulhausbau. Unsere Perspektive ist immer die Zukünftigkeit. Man muss so bauen, dass der Planet auch für unsere Kinder und Enkel noch in einem guten Zustand ist. Bei einer Schule ist es schon mit den Nutzenden als Thema vorhanden.

Das heisst, es muss als Gebäude funktionieren, wie zum Beispiel von den Flexibilitäten her, damit man diese Flexibilität für die Nutzenden also die Schülerinnen und Schüler aber auch für die Lehrpersonen hat. Gleichzeitig ist da aber auch die Perspektive, hier bauen wir etwas für unsere Kinder und das muss dazu führen, dass es nicht nur der Schule gut geht, sondern auch ein kleiner Beitrag dazu geleistet wird, die Klimaveränderung abfangen zu können.

Das andere, was ich spannend finde, ist, dass wir durch diese Etappierung von jeder Etappe lernen können und bei jeder Etappe andere Schwerpunkte bei der Wiederverwendung setzen können.

Für Belp ist das ein grosser Brocken und eine Herausforderung für die Finanzen. Wir es teurer oder günstiger, wenn man Bauteile wiederverwendet?

Wir müssen sicher jetzt in einer früher Phase herausfinden, wie man die Stellschrauben setzt. Grundsätzlich ist es so, dass wir in der Schweiz das Problem haben, dass neu produziertes Baumaterial sehr günstig ist. Ein Beispiel: Fassadenbleche sind sehr günstig zu produzieren und in die Schweiz zu fahren. Wenn man das irgendwo rückbauen muss, wird es nicht günstiger und es wird auch nicht teurer. Man kann nicht davon ausgehen, dass man durch die wiederverwendung von Bauteilen Kosten spart.

Ein wiederverwendetes Fenster erhält man meistens Gratis oder sehr günstig, dafür kommen Kosten dazu. Die Fenster müssen Beispielsweise aufwändiger rückgebaut werden, dann muss man sie transportieren, lagern, aufbereiten, es muss ein Bauteilpass erstellt werden und je nachdem ist der Einbau etwas komplexer. Das heisst, die Kosten, die man beim Erwerb der Bauteile spart, die kommen zu einem Teil wieder drauf.

Spannend an der Kreislaufwirtschaft ist, dass man die Wertschöpfung ins Lokale verschiebt. Anstatt ein Fenster in Tschechien oder Polen zu bestellen, lässt man die Bauteile von Fachleuten in der Schweiz. Lokale Handwerkerinnen und Handwerker bauen die Teile aus und prüfen sie. Das steigert die Leistungen der Fachleute und bringt Berufsstolz und Fähigkeiten zurück in die Schweiz. Das macht das Ganze auch für einen Kanton spannend. Es bringt diese Wertschöpfungskette, die ja auch steuerlich relevant ist, zurück ins Lokale.

Ich glaube, man muss auf sehr vielen Ebenen anschauen, was man im Ganzen gewinnt. Es ist sicher wichtig, dass man die Kosten im Projekt genau anschaut, denn niemand kann sich leisten einfach zu machen was man will und am Schluss zu schauen, was es kostet. Wir müssen schauen, welche Massnahmen Sinn machen und worauf wir uns konzentrieren wollen. Das ist letztlich die Aufgabe von Zirkular zu schauen, welche Bauteile Sinn machen, zum Beispiel, welche zu Mehrkosten führen aber nur eine geringe CO2 Einsparung haben.

Andreas Oefner von Zirkular im Gespräch mit Ben Zaugg.
Andreas Oefner von Zirkular im Gespräch mit Ben Zaugg.
Also kann man sagen, Zirkulärwirtschaft ist nicht nur ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch Förderung des lokalen Gewerbes?

Das ist eine Erfahrung, die wir oft machen mit Handwerkerinnen und Handwerkern. Wenn man sie zum ersten Mal kontaktiert, sind sie in der Regel eher skeptisch. Sie sagen dann: Ich bestelle dir das einfach neu und dann ist das alles gut. Dann erkären wir ihnen die Vorteile der Kreislaufwirtschaft, die Ressourcenschonung und Reduktion der CO2-Emissionen. Es stärkt ihre Arbeit, weil sie nicht Lieferanten bezahlen für ihre Arbeit, sondern es selbst übernehmen. Dann machen sie das einmal und merken, dass es eigentlich wahnsinnig interessant ist.

Es gibt mittlerweile Holzbauer und Stahlbauer, mit denen wir schon zusammengearbeitet haben, die das inzwischen als Leistung anbieten. Es ist sehr toll zu sehen, wie sie sich re-use Kompetenzen erarbeitet haben. Es ist auch wichtig, dass man das in allen Projekten mitdenkt und die Lokalität wieder stärkt. Das ist für uns ebenso wichtig, wie die ökologischen Vorteile, die sicher unbestritten sind.

Was sind die ersten Schritte für euch, wenn das Projekt weitergeht?

Das eine ist ein Gebäudescreening, bei dem man die Gebäude untersucht und schaut, welche Teile man wiederverwenden kann. Man nimmt nur wirklich hochwertige Bauteile. Das andere ist, auf der Neubauseite die Potenziale durchzugehen und zu schauen, welche Möglichkeiten man bei der Wiederverwendung oder bei anderen Kreislaufmassnahmen hat. Bei den anderen Kreislaufmassnahmen geht es beispielsweise darum, dass man sich heute gewohnt ist, einen Zementboden einzusetzen und das hat einerseits den grossen Nachteil, dass Zement ein wahnsinnig emissionsintensives Bauteil ist, sozusagen einer der grössen Klimasünder. Aus diesem Grund müssen wir Zement so gut wie möglich ersetzen, denn Zement als Unterlagesboden kann ich nicht zurückbauen. Gibt es dort zum Beispiel die Möglichkeit, einen Lehmunterlagsboden einzusetzen, der kaum CO2 Emissionen verursacht und rückbaubar ist? Das wird nun einer der weiteren Schritte sein, um zu überprüfen, was macht man denn wirklich im Projekt.

Das andere ist, Synergien zu prüfen und aufzubauen, um für die Bauteilmine im Kanton Bern möglichst viel zusammenzuziehen. Denn Kreislaufwirtschaft kann man nicht alleine machen. Da sind wir eine ganz kleine Schraube und wenn wir nicht gemeinsam alle am gleichen Strick ziehen und das machen, dann können wir keine Projekte umsetzen. Auch wir sind darauf angewiesen, Partner zu haben und entsprechende Menschen die mitziehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Danke.

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Interview: Ben Zaugg
Über die Personen

Andreas Oefner ist Experte für Kreislaufwirtschaft und Geschäftsführer der Zirkular GmbH, welche am Siegerprojekt zur Erneuerung der Schulanlage Mühlematt in Belp beteiligt ist.

Ben ist Experte für Kommunikation und Podcasts. Im Projekt Mühlematt führt er die Podcast-Interviews. Sonst beschäftigt er sich mit neuen Arbeits- und Lernformen und begleitet andere dabei, ihre berufliche Zukunft zu gestalten.